Die Einladung kam per Mail. Ein paar Fotos: bunte Stoffstücke, ein Lineal, ein rosa Rollschneider – und mittendrin eine Anleitung für ein Segelkissen. Ich war sofort interessiert. Nicht wegen des Kissens, sondern wegen der Stimmung, die die Bilder vermittelten: konzentriert, kreativ, bunt. Also ging ich hin – wieder einmal zur Nähgruppe Velten. Zuletzt war ich im Februar zu Gast.
Kreativität auf Knopfdruck
Dienstag, 14:02 Uhr. Es geht sofort los. Keine langen Reden, kein Zögern. Neue Projekte werden besprochen: Taschen, Türstopper, kleine Säckchen, Segelkissen. Ob rund oder eckig, mit Reißverschluss oder Zugband – jede hat eine Idee. Eine Teilnehmerin kramt im Stoff, eine andere zeigt stolz ein Handyfoto: Zuhause fleißig weitergenäht.
Die Stoffe liegen bereit – kräftiges Rot, maritimes Muster mit Ankern und Steuerrädern, florale Designs. Es wird diskutiert, ob der Stoff reicht, ob das Futter passt, ob die Farben harmonieren. Und mittendrin: jede Menge Lachen, Tipps und gegenseitige Unterstützung.
Fachwissen mit Herz und Haltung
Wer das erste Mal dabei ist, merkt schnell: Michaela ist nicht nur Gruppenleiterin, sondern Herz und Handwerk in einer Person. Ihr Weg begann 1987 im Oberlinhaus Potsdam-Babelsberg, wo sie Herrenmaßschneiderin wurde. „Ein Herrenanzug ist das Schwierigste“, sagt sie leise – „viel Handarbeit, Brust ausformen, Armkugel anlegen – da muss alles sitzen.“ Heute teilt sie ihr Wissen mit der Gruppe. Ob es um Fadenspannung oder Schnittführung geht – Michaela schaut, erklärt, verbessert. Und sie tut das nicht nur für schöne Taschen oder Topflappen.
Zwischen bunten Stoffresten fiel beiläufig ein Stichwort: Frühchen. Und plötzlich wurde es stiller. Denn sie näht auch für Kinder, die viel zu früh auf die Welt kommen – oder sie gar nicht lebend erleben dürfen. Für Frühchen und Sternenkinder. Michaela ist Teil der Fleißigen Pommernbienchen e. V., einem Verein, der ehrenamtlich Mützchen, Strampler und winzige Wickeljacken näht – in winzigen Größen, die es im Handel gar nicht gibt.
„Die Stoffe sind Spenden. Und alles, was wir daraus machen, soll trösten – oder Mut machen.“ Es geht nicht um Perfektion, nicht um Stückzahlen, sondern um Liebe in jedem Stich. Ein Satz bleibt hängen: „Ein kleiner Engel kam, lächelte – und kehrte um.“
Und während der Rollschneider leise über Baumwolle gleitet, weiß man: Nähen kann manchmal mehr sein als Handarbeit. Es kann Anteilnahme sein – und ein Zeichen, dass niemand vergessen wird.
Nähen für den Alltag – und für den Kopf
Nicht alles, was hier entsteht, ist für den Eigenbedarf. Eine nähte die Buch-Taschen auf Vorrat – zehn Stück, zum Verschenken. Eine andere denkt praktisch: Die Balkontür geht nicht zu? Ein Türstopper muss her. Brauner Stoff, passend zur Wand. Füllung? Kirschkerne oder Sand. Dazu eine Feinstrumpfhose, damit nichts herausrieselt. Problem gelöst – kreativ, schnell, schön.
Und dann ist da noch das Patchworkprojekt. Bunte Streifen in Lila, Blau und Gelb. Wer zuschaut, sieht: Das ist Arbeit. Mehr Nähte, mehr Bügeln. Aber auch mehr Stolz. Es wird nicht geschimpft, wenn etwas schief ist. Es wird verbessert – gemeinsam.
Offen für Neues – und für neue Gesichter
Die Gruppe ist offen für alle – auch für Neulinge. Es braucht keine Vorkenntnisse. Nur Lust aufs Ausprobieren. Marianne wünscht sich besonders, dass auch jüngere Menschen dazustoßen – Kinder vielleicht sogar. Denn Nähen ist mehr als Technik. Es ist eine Sprache, die Generationen verbindet.
Einfach vorbeikommen. Und vielleicht wird aus einer Idee bald eine Projekttasche. Oder ein Segelkissen. Oder etwas, das niemand vorher geplant hat – außer der Kreativität.
Alle 14 Tage trifft sich die Gruppe wieder. Dann wird wieder genäht, geplaudert, gelacht und gelernt. Die Nähgruppe Velten ist offen für alle, die Lust haben, mit Stoffen und Ideen zu experimentieren – und sich dabei in einer herzlichen Gemeinschaft willkommen zu fühlen.
Wann? dienstags alle 14 Tage
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