Zwischen Pflaumen, Puppen und Poesie – Ein lebendiger Montag im Bürgerhaus

Draußen steht „Urlaub“ im Schaukasten, in welchem zuletzt die Ostersachen standen.

Drinnen, im Raum 1.05 des Bürgerhauses Velten Süd, steht ein 10-Liter-Eimer voller Pflaumen auf dem Boden. Sylvia hat ihn mitgebracht, wie immer ohne großes Aufhebens. „Die müssen so grün sein – die sind fertig.“ Ich bekomme eine in die Hand gedrückt, probiere, nicke: Ja. Sie hat recht. „Und nicht eine madige dabei“, ruft sie hinterher. Fast ein bisschen stolz.

Es ist Montag, und obwohl die Ferien begonnen haben, bleibt die Kreativgruppe davon unbeeindruckt. Wer hier eine Sommerpause einlegen will, ist selbst schuld.

Sülze, Strickzeug und das Wetter
Kaum ist die Tür richtig aufgegangen, beginnt das Gespräch. Es geht um das Wetter, wie immer. „Hat doch die ganze Nacht geregnet!“, ruft eine, und alle nicken. Es regnet ja immer noch. Hat Ofi auch schon bemerkt. Eine sagt was von Sülze. Aus Zunge. Vom polnischen Laden in Oranienburg. „Ein Geheimtipp“, sagt jemand. Und das Gespräch dreht sich weiter, von Zunge zu Zwiebeln, von Pflaumen zu Pullovern.

Eine räumt Garnreste zusammen. „Ich strick nicht – ich sortiere nur.“ Es sieht trotzdem professionell aus. Angelika wickelt Wolle. Seit Beginn. Eine Bewegung, die meditativer wirkt als jede Yogastunde.

Die Puppe im Trabi
Krista zieht eine Puppe aus der Tasche. Barbie, aber mit einem Kleid, das man häkeln kann. Weit ausladend, lila und türkis. Drunter eine Klopapierrolle. „Kennste noch von früher? DDR! Auf der Hutablage.“ Ich nicke, klar. Der Nachbar von Angelika wollte auch eine – für den Trabi. Hellblau, 601er. Diese hier fährt jetzt bei Karsten mit. Lindgrün steht ihr sicher gut.

Geburtstag, gestickt und geschenkt
Heidrun hat heute Geburtstag. Sie macht Essen. Und sie nimmt sich auch gleich einer Tischdecke an, die jemand nicht fertiggestickt hat. „Ich mach das noch“, sagt sie. Natürlich macht sie das. Ursula hat für sie ein Diamond Painting gebastelt. Alle unterschreiben.

Weiter vorn am Tisch wird gerade ein Schwan mit Seerose mit der gleichen Technik erstellt.

Ursula. Und das Theater
Dann legt Ursula los. 92 Jahre, klare Stimme, liebevoll sortierte Schwarz-Weiß-Fotos auf dem Tisch. Theaterfotos. Potsdam, DDR-Zeit. Fallada: Der tote Mann. „Ich war seine Frau.“ Angelika blättert. „Und? Ist er wieder aufgewacht?“ – Gelächter. Kurz wird es ernst, als Ursula von einem Scheintod in der Familie erzählt.

Fotos wandern über den Tisch. Hände greifen, Augen blitzen. Erinnerungen werden weitergereicht. Weiter geht das Gespräch: Damals, in der Tschechei, hat sie zwei Marionetten gekauft. Und plötzlich stehen sie da, auf dem Tisch: Spejbl und Hurvínek. Vater und Sohn, aus Holz und Draht. „1978. Für 18 Mark.“ Ursula führt eine kleine Szene auf. Alle lachen.

Der Regisseur damals, in Prag, habe zu ihr gesagt, als er sie tanzen sah: „So hab ich die Uschi noch nie gesehen.“ Heute sagt sie: „Ich bin keine Uschi mehr – ich bin Ursula.“ Und da ist sie wieder – diese Mischung aus Stolz, Schalk und Geschichte.

Pullover in Arbeit. Oder auch nicht.

„Der Rand war nicht gut“, sagt jemand über einen Pullover. „Zu kleine Nadel“, sagt Angelika. „War mir klar.“ Trotzdem hat sie gestrickt. Jetzt wickelt sie wieder. Vielleicht wird’s doch noch was. Vielleicht auch nicht.

Hexeneis und Erinnerungen
Zwischendurch – wie immer – geht’s ums Essen. Jetzt: Eis. Angelika isst nur Hexeneis. Das kleine mit dem Stiel. Buttermilch-Eis vom Aldi sei auch in Ordnung gewesen.

Ein Ort, der lebt
Auch an diesem Montag zeigt sich: Der Raum 105 ist kein Raum für Projekte – er ist ein Raum für Menschen. Für Geschichten, Erinnerungen, Lachen und Fürsorge. Für Puppen, Pflaumen, Pullover. Für Ursula, für Heidrun, für Angelika und Krista. Für alle, die kommen und bleiben.


Herzliche Einladung zur kreativen Gemeinschaft
Die Kreativ- und Handarbeitsgruppe trifft sich jeden Montag von 13 bis 16 Uhr im Bürgerhaus Velten Süd. Komm wie du bist. Mit Wolle, Idee oder nur Appetit auf Eis.

Ein Angebot des Aktivclub Senioren Velten e.V.

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