Von der Nadel zur Tasche: Warum die Nähgruppe Velten mehr als ein Hobby ist

Es ist Dienstagnachmittag im Seniorentreff Poststraße. Die Nähmaschinen surren, Stoffreste werden zugeschnitten, und in einer Ecke wird bereits fleißig gebügelt. Ein kleines Bügeleisen von Prym, kein Reisebügeleisen wie der unbedarfte Blick des Bloggers vielleicht ihn ahnen lässt, sondern ein echtes Markenprodukt, kommt dabei zum Einsatz, um die Nähte ordentlich auszubügeln. Hier trifft sich die Nähgruppe Veltenein Ort voller Ideen und warmherziger Gemeinschaft.

Von der Herrenmaßschneiderei zur Nähgruppe

Die Gruppe wird von Michaela geleitet, die ihr Handwerk als Herrenmaßschneiderin im Oberlinhaus Potsdam-Babelsberg erlernte. 1987 begann sie ihre Ausbildung, 1990 schloss sie ab. Heute gibt sie ihr umfangreiches Wissen in einem Nähkurs für Anfänger weiter. Mit geschultem Blick geht sie von Teilnehmer zu Teilnehmer, kontrolliert die Nähmaschinen und gibt wertvolle Tipps. Besonders wichtig ist ihr die Oberfadenspannung – sie zeigt, ob eine Naht ordentlich ist oder nicht. „Die optimale Fadenspannung variiert je nach Stoff“, erklärt sie. „Für die meisten Materialien ist eine mittlere Spannung von 4 ideal. Eine zu hohe Spannung kann den Stoff kräuseln, eine zu niedrige Spannung sorgt für lockere Nähte.“

Vorbereitungen und erste Schritte

Marianne und Michaela sind schon vor 14 Uhr am Werk, um alles vorzubereiten. Alte Stoffe werden aufgebügelt – ein echter Upcycling-Ansatz, den alle lieben. Heute steht ein modernes Projekt auf dem Plan: kleine Stofftaschen, die sich als Kosmetiktaschen oder Federmäppchen nutzen lassen. Die Inspiration stammt von Instagram – ja, die Damen gehen mit der Zeit. Schon letzte Woche wurden die Stoffe zugeschnitten, heute beginnt das eigentliche Nähen.

Die Teilnehmer bringen teils ihre eigenen Nähmaschinen mit, um sie endlich mal wieder richtig kennenzulernen. „Manche Maschinen setzen sich fest, wenn sie zu lange ungenutzt bleiben“, erklärt Michaela schmunzelnd. Zum Glück gibt es auch zwei mechanische Nähmaschinen, die von der Stadt gesponsert wurden – perfekt für Anfänger.

Bevor es losgeht, fragt Michaela in die Runde: „Sind alle Maschinen eingefädelt? Wer braucht noch Hilfe?“ Dann wird gestartet – Geradstich (Steppstich) ist für die heutigen Taschen ideal. Die Stoffe werden rechts auf rechts gelegt, genau ausgerichtet und bei Bedarf mit Stecknadeln fixiert. Die empfohlene Nahtzugabe: 0,75 cm, nähfußbreit.

Praktische Projekte und kreative Freiheit

In der Nähgruppe wird nichts diktiert. Michaela macht Vorschläge, aber entscheiden tun alle gemeinsam. Neben den heutigen Taschen haben sie bereits Patchwork-Taschen genäht – eine wunderbare Möglichkeit, auch den letzten kleinen Stoffrest zu verwerten. Stoffstücke werden wie ein Puzzle zusammengesetzt, und am Ende hält man ein Kunstwerk in den Händen.

Doch es geht nicht nur ums Nähen. Eine Teilnehmerin berichtet stolz von ihrer selbstgenähten Buchhülle – darin steckte schon der ein oder andere spannende schwedische Krimi. Oder auch Kalt und still von Viveca Sten, wie Marion berichtet. Sofort entwickelt sich eine lebhafte Diskussion über Buchempfehlungen. Besonders beliebt: „Kinderklinik Weißensee – Tage des Lichts“ von Antonia Blum. Eine andere Teilnehmerin berichtet, dass sie in Weißensee gewohnt hat, alle vier Bände gelesen hat und erzählt, wie sie nach der Wende für den Erhalt der Kinderklinik gekämpft haben.

Wissen weitergeben und neue Generationen erreichen

Die Nähgruppe ist offen für alle, doch Marianne hat einen Wunsch: „Es wäre schön, wenn auch jüngere Menschen den Weg hierher finden würden. Vielleicht schon Kinder ab sechs Jahren – einfach, um ihnen das Nähen spielerisch beizubringen.“ Ein generationenübergreifender Austausch – das wäre wunderbar.

Während genäht wird, gibt Michaela unermüdlich Tipps: Wie führt man den Stoff richtig durch die Maschine? Warum wellt sich der Stoff, wenn die Naht nicht ausgebügelt wird? Warum ist das gleichmäßige Zuschneiden der Stoffstreifen so wichtig? Bald werden die Taschen fertig sein – und dann kommt der nächste Schritt: das Einnähen eines Reißverschlusses.

Alle 14 Tage trifft sich die Gruppe wieder. Dann wird wieder genäht, geplaudert, gelacht und gelernt. Die Nähgruppe Velten ist offen für alle, die Lust haben, mit Stoffen und Ideen zu experimentieren – und sich dabei in einer herzlichen Gemeinschaft willkommen zu fühlen. Einfach vorbeikommen!

Wo? Seniorentreff Poststraße

Wann? dienstags alle 14 Tage

Weiterlesen, und dann geschah das: Velten Krimi Teil 1: Das Rätsel der nadelgenauen Näherin (Eine ungewöhnliche Einladung zur Nähgruppe) – Seniorenbeirat Velten